Jürgen Dehniger
Es sind 2000 Jahre Geschichte, die Dehniger in seinen Bildern verarbeitet. Und er verdeutlicht in ihnen, dass Ereignisse der Gegenwart durch das Vergangene bedingt werden, dass sie sich häufig sogar wiederholen. Seine bearbeiteten Fotografien nehmen eindeutigen Bezug auf Orte und Menschen, die Krieg und Zerstörung erfahren haben, die politischen und religiösen Machtspielen unterworfen waren, oder wie das jüdische Volk über jahrtausende hinweg verfolgt wurde.
All diese Geschehnisse haben direkten Einfluss auf unser heutiges Leben und auf unsere Gesellschaft genommen. Deshalb ist es wichtig, sich gelegentlich der kulturellen und politischen Vergangenheit zu erinnern und sie in einen zeitgenössischen Kontext zu bringen. Durch die Überarbeitung der Motive, das nahezu Unkenntlichmachen der Fotofraqmente, erhalten die Arbeiten von Jürgen Dehniger eine zeitlich unabhängige Allgemeingültigkeit.
Er verzichtet auf den Voyeurismus, der sich tagtäglich in den Medien wiederspiegelt, sondert animiert den Betrachter zu Erinnerungen, zum Nachdenken und zur Aufmerksamkeit. Und das ereicht er durch die Komposition seiner Bilder, durch eine verblüffende Verfremdung der Inhalte und durch einen ganz eigenwilligen Umgang mit ebenso eigenwilligen Materialien.
Asche, Teer, Salz und Blei, morbide Eisenteile, alles ist symbolbehaftet, um Denkprozesse in Bewegung zu setzen und Empfindungen auszulösen. Die Asche macht die Vergänglichkeit bewusst, erinnert an verbannte Erde und an die Auslöschung menschlichen Lebens. Das Blei wirkt protektierend, ist Schutz und Zeichen der Ewigkeit zugleich, während das Salz schon in einer jahrtausende alten Tradition als Konservierungsmittel verwendet wird. Die Auswahl der Materialien und ihre Kombinationen richtet sich dabei stets auf die zu transportierende Botschaft. Dadurch werden die Arbeiten greifbarer, lassen sich haptisch und visuell lesen. Der Betrachter verliert die Distanz, er bleibt kein Aussenstehender, sondern wird emotional einbezogen und ist letztlich derjenige, der die Symbole nach seiner Erinnerung und seinem Wissen entschlüsselt.
Jürgen Dehniger ist ein Reisender in der Geschichte der hier und da Station macht, um mit dem Gespür des Künstlers und Fotografen den Augenblick festzuhalten, ihn in seiner eindringlichen Bildsprache zu konservieren und dadurch kulturelle Relikte erzeugt gegen das Vergessen.
Michaela Löbe